Unfallversicherung, Falschangabe: die Folgen
Unser Partner CJE, Avocats Conseils d’Entreprises, prüft die Folgen von Falschangaben im Zusammenhang mit Unfallversicherungen im Rahmen des Entscheids des Bundesgerichts vom 11. Juni 2021.
Sollte bei der Berechnung des Taggeldes ein 13. ergebnisbasiertes Gehalt berücksichtigt werden?
Die Bekanntgabe eines hypothetischen 13. Gehalts (das von den Geschäftsergebnissen des Arbeitgebers abhängen würde) stellt kein für die Berechnung des Taggeldes zu berücksichtigendes Einkommen dar und kann eine Falschangabe darstellen, die dazu führen könnte, dass die Versicherung ihre Leistungen verweigert und eine Rückerstattung des bereits ausgezahlten Taggelds fordert.
Sowohl die Handlungen des Arbeitgebers als auch die des Versicherten können eine Straftat im Sinne von Art. 112 UVG sein. Daher muss man sich beim Beantragen von Unfallversicherungs-Leistungen auf die Angabe der tatsächlichen Einkünfte beschränken. Rein potenzielles Einkommen kann nicht berücksichtigt werden. Es ist unbedingt erforderlich:
- die Taggeldabrechnungen für die bereits ausgezahlten Beträge zu prüfen.
- jegliche Fehler unverzüglich der Unfallversicherung zu melden.
Im unten aufgeführten Fall wurde der „Fehler“ bei der Angabe des 13. Gehalts zweimal gemacht, und Taggelder wurden mehrere Jahre lang kassiert. Der Versicherte hätte sich des Fehlers sofort bewusst werden müssen, denn die ausgezahlten Taggelder waren höher als das normalerweise bezogene Gehalt.
Bei diesem Entscheid kam das Bundesgericht zum Schluss, dass die Verweigerung der Unfallversicherungs-Leistungen sowie der Antrag auf Rückerstattung aller ausgezahlten Leistungen begründet sind.
Sachverhalt
Mit Erklärungen zu zwei Schadenfällen gab der/die Versicherte ein Grundgehalt von CHF 9000,- an – dazu kamen Familienzulagen in Höhe von CHF 500,- pro Monat sowie ein 13. Gehalt in Höhe von CHF 9000,- pro Monat, d.h. ein Jahresgehalt in einer Gesamthöhe von CHF 216.000,-. Die Unfallversicherung hatte den Fall übernommen und Taggelder basierend auf dem maximal versicherten Jahresgehalt in Höhe von CHF 148.200,- ausgezahlt.
Von der Versicherung befragt, gab der/die Versicherte an, dass der/die Mitarbeiter*in ein Monatsgehalt von CHF 9000,- ebenso wie ein 13. Gehalt von CHF 9000,- bezog und dass es sich bei den in den Unfallberichten gemachten Angaben hinsichtlich eines 13. Gehalts von CHF 9000,- pro Monat definitiv um einen Fehler handelte.
Das Kantonsgericht, dessen Urteil vom Bundesgericht bestätigt wurde, stellte fest, dass die von dem/der Versicherten in der Unfallerklärung angegebenen Beträge (insbesondere das 13. Gehalt) nicht das Ergebnis eines einfachen Fehlers sein konnten.
Unter Berücksichtigung der Falschangaben des/der Versicherten hatte die Unfallversicherung einen berechtigten Grund:
- die Auszahlung der Leistungen zu verweigern;
- eine Rückerstattung der unberechtigterweise ausgezahlten Taggelder zu fordern.
Rechtliche Lage
Gemäß Art. 46 Abs. 2 UVG „kann der Versicherer jede Leistung um die Hälfte kürzen, wenn ihm der Unfall oder der Tod infolge unentschuldbarer Versäumnis des Versicherten oder seiner Hinterlassenen nicht binnen dreier Monate gemeldet worden ist; er kann die Leistung verweigern, wenn ihm absichtlich eine falsche Unfallmeldung erstattet worden ist.“.
In diesem Fall wurde davon ausgegangen, dass der/die Versicherte für eine Falschangabe im Sinne dieser Bestimmung zur Verantwortung gezogen wurde, hatte er/sie doch behauptet, ein Gehalt zu erhalten, das höher als sein/ihr tatsächliches Gehalt war, um Versicherungsleistungen zu erhalten, auf die er/sie keinen Anspruch gehabt hätte.
Der/die Versicherte bestreitet, betrügerische Absichten gehabt zu haben, als er/sie ein 13. Monatsgehalt von CHF 9000,- angab, so dass die Anwendung von Art. 2 UVG nicht gerechtfertigt ist.
Das Bundesgericht weist dieses Argument zurück, da der Unfallversicherer nicht verpflichtet ist, die Richtigkeit der vom Versicherten gemachten Angaben zu prüfen. Eigentlich reicht eine einfache Täuschung aus, damit Art. 46, Abs. 2, Satz 2 UVG Anwendung findet. Dabei muss die Täuschung nicht so geschickt sein, wie bei Betrug (Art. 146 Abs. 1 StGB). Somit unterliegt die Anwendung von Art. 46 Abs. 2 UVG nicht den Mindestanforderungen im Hinblick auf die Sorgfaltspflicht oder der Prüfungspflicht des Versicherers (Urteil 6B_488/2020 vom 03. September 2020, E. 1.1; KURT PÄRLI/LAURA KUNZ in: Basler Kommentar, Unfallversicherungsgesetz, 2019, Nr. 15 zu Art. 46 UVG).
In jedem Fall und sofern der/die Versicherte in seiner/ihrer Beschwerdeschrift gegenüber dem BGer zugab, nie ein 13. Gehalt bezogen zu haben, handelte es sich bei den von dem/der Versicherten gemachten Angaben um Falschangaben.
In diesem Zusammenhang muss betont werden, dass das 13. Gehalt rein hypothetisch sein kann, da es von den Geschäftsergebnissen des Arbeitgebers abhängt, dass es sich dabei jedoch nicht um ein Einkommen handelt, das für die Errechnung des Taggeldes zu berücksichtigen ist (vgl. JEAN-MAURICE FRÉSARD/MARGIT MOSER-SZELESS, a.a.O. Nr. 179 S. 956).
Beschluss
In diesem Entscheid stellte das Bundesgericht fest, dass, indem der/die Versicherte (und der Arbeitgeber) Angaben über den Erhalt eines 13. Gehalts (unabhängig vom Betrag) machten, sie vorsätzlich Falschangaben machten, um Unfallversicherungs-Leistungen zu erhalten. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Verweigerung der Unfallversicherungs-Leistungen sowie der Antrag auf Rückerstattung aller ausgezahlten Leistungen begründet sind.
Der obenstehende Inhalt wurde von der Firma CJE Avocats Conseillers d’Entreprisesverfasst.